Anita Peter malt Bilder und meistert dabei unbeschreibliche Herausforderungen. Sie will gehört werden und findet es wichtig, dass die Lebenswelt von beeinträchtigten und verletzlichen Menschen beachtet wird. Ihre Bilder sind jetzt ausgestellt im Alterszentrum Weinfelden.
Im Gästebuch sind persönliche Einträge von Gästen sehr willkommen.
Interview: Charlotte Mäder
Warum malst Du?
Anita Peter: Ich male, um meine inneren Verletzungen und Enttäuschungen abzubauen. Es hilft mir als Schutz gegen Verbitterung.
Wie hast Du Dir die Technik angeeignet, wo kannst Du arbeiten?
5 Jahre erlernte ich die Technik des Aquarellierens bei Daniel Steinemann, später erlernte ich die Technik der Ölmalerei bei Anita Maag, Kunsttherapeutin. Und ich besuche regelmässig Kreativateliers, zum Beispiel bei TAB Freizeit und Bildung. Meine Bilder sind zwischen A5 bis A3 gross.
Ich arbeite im Therapieraum im Ekkharthof oder auch mal draussen im Garten.
Was bewegt Dich beim Malen, woher kommt Deine Inspiration?
Ich vergesse mich beim Malen, auch beim Töpfern, das hat den gleichen Effekt auf mich. Ich bin jeweils so versunken. Ich muss mir dann ca. 30 Min. Zeit geben, um wieder im Rollstuhlalltag anzukommen. In der Natur finde ich Inspiration. Ich nehme die Eindrücke auf und im Atelier kann ich es dann nicht so umsetzen, wie ich es erlebt habe. Das finde ich schwierig, eine totale Herausforderung. Manchmal muss ich darüber schlafen. Es frisst mich beinahe auf, dass ich mit der Umsetzung nicht zurechtkomme. Es kostet viel Energie, die Umsetzung. Ich probiere es dann gegen alle Widerstände und die Bilder entstehen. Stolz und Freude erfüllt mich, wenn ich ein Bild erschaffen habe. Es ist wie eine Erlösung, ein Sieg, ein Triumph, könnte ich sagen.
Was sind besondere Herausforderungen für Dich, um zu malen?
Ich male flächig. Mein Augenhintergrundzittern macht es schwierig, perspektivisch zu schauen. Ich kann keine Perspektiven umsetzen, darum sind meine Bilder flächig. Beim Aquarellieren hilft das Wasser für den Farbeffekt. Wasser trägt mich. Früher konnte ich im Wasser gehen, ohne Hilfsmittel! Heute brauche ich den Rollstuhl als Ersatz für meine Füsse. So kann ich überhaupt am öffentlichen Leben teilnehmen und mich fortbewegen. Ein höhenverstellbarer Stuhl wäre mein Wunsch, so könnte ich zum Beispiel auf den Bahnhöfen die Halt auf Verlangen Knöpfe betätigen.
Wie kamst Du zur Malerei?
Ca. 9 Jahre male ich schon. Früher konnte ich meine Verletzungen nicht so wahrnehmen, wie heute.
Du kannst gehen, ich nicht. Seit Geburt bin ich im Rollstuhl. Mit 11 Jahren konnte ich an Stöcken gehen. Dann wurde ich operiert und hatte schreckliche Schmerzen, unbeschreiblich. Für Gehende nicht nachvollziehbar. Es sind aber nicht diese Verletzungen, weswegen ich male, nein, es sind die inneren Verletzungen, es sind die Rücksichtslosigkeiten der Gehenden, die Respektlosigkeit, das fehlende Verständnis oder die Ungeduld und fehlendes Einfühlungsvermögen, welche mich dauernd neu verletzen.
So erlebe ich zum Beispiel regelmässig Folgendes … Sie soll schneller machen … wir haben keine Zeit … wir können jetzt nicht warten … das Postauto fährt ab, ohne dass der Rollstuhl am Platz fixiert wird, und ich knalle ins Fenster, das bricht … weil Du jetzt mehr Unterstützung brauchst, kannst Du nicht mehr in die Ferienwochen mitkommen … warum bin ich so, wie ich bin, das finde ich interessant, aber die Gehenden eben nicht.
Mit Begleitung bekomme ich mehr Aufmerksamkeit oder Respekt. Unbegleitet werde ich häufig weggedrückt. Ich spüre innerlich, dass ich nicht erwünscht bin. Das schmerzt!
Ich gehe dann eben spazieren, inspiriere mich in der Natur und setze mich auseinander mit Eindrücken und Erlebnissen. Daraus schöpfe ich später ein Bild.
Interview 15.02.2023
Anita Peter, Bildermalerin, Kommunikatorin, Organisatorin, Widerständige, Rollstuhlfahrerin
Charlotte Mäder, TAB F&B Stellenleiterin, Brückenbauerin, Künstlerin
TAB Freizeit und Bildung
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